Plattdeutsch-Monat auch in Berlin

Wir sind Norddeutsche, die es nach Berlin gespült hat. Wir haben Sehnsucht nach dem Meer und dem platten Land, obwohl wir auch alle irgendwie schon Berliner sind.Wir wollen Plattdüütsch, die Sprache unserer Heimat, lernen und snacken, wobei wir einige Muttersprachler unter uns haben. Wir sind eine selbstorganisierte Gruppe. Jeder macht in seinem Rahmen mit und jeder trägt soweit etwas bei, wie er kann und möchte. Hauptsächlich geht es uns um den Spaß am Sprechen und um die Gemeinschaft. Mitmachen kann jeder, der aus dem Norden stammt, sich nach Gleichgesinnten sehnt und snacken will. Wir freuen uns auf euch.

 

Muschelschubser nennen sie sich. Sie sind kein Verein, sondern eher eine bunt gemischte Gruppe von Norddeutschen, die sich in Neukölln zum Plattschnacken, Boßeln, Grünkohl- und Labskause-Eeten zusammengefunden haben. Jeden zweiten Donnerstag treffen sie sich. Diejenigen, die Niederdeutsch sprechen, können an diesem Abend allns op Platt vertellen, watt se so vertellen wüllen. Diejenigen, die es nur aus der Familie kennen, lernen die ersten Worte und Sätze über die Lippen zu bringen. „Wir haben immer viel Spaß und es gibt viel zu lachen. Wir leben alle schon seit vielen Jahren in Berlin, im Herzen sind wir aber Nordlichter geblieben“, sagt die aus Bremen stammende Mitbegründerin Kena Maier.

AnkerAls ihr der Flyer der „Woche der Sprache und des Lesens“ in die Hände fiel und sie ihn mit zum Treffen brachte, waren sich sofort alle einig; sie wollten dabei sein. In der Galerie „Creativcentrum Neuköllner Leuchtturm“, fand die Gruppe auch gleich die richtige Kulisse für einen plattdeutschen Abend. Die Berliner Galeristen Bernhard und Karen Thieß sind begeisterte Küstenurlauber, die den Muschelschubsern sofort ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellten. Und wie passend: Auf der gesamten 4-Stöckigen Fassade des Hauses in der Emser Straße prangt ein Leuchtturm in weißer und roter Farbe.

Der ebenfalls in Berlin lebende Bremer Autor Freerk Heinz schrieb den Schauspiellustigen ein Plattdeutsches Theaterstück förmlich auf den Laib. Die in Lilienthal aufgewachsene Kirsten Jenne und der aus Bremen stammende Sänger und Liedermacher Olaf Garbow überredete den Chor „Neukölln Singers“, einige Plattdeutsche Lieder mit ihnen einzustudieren. „Für die Mitglieder des international ausgerichteten Chors, in dem Menschen von London bis Franken singen, war es nicht ganz einfach, das niederdeutsche Liedgut einzuüben. Das Ergebnis kann sich hören lassen“, sagt Kirsten Jenne stolz.

Der Zusammenhalt der Norddeutschen in Neukölln ist grandios. Wir haben uns fern der Heimat eine kleine Gemeinschaft geschaffen, aus der tiefe Freundschaften entstanden“, erzählt die gebürtige Oldenburgerin Petra Ross gut gelaunt, die in ihrer Zeitung „Kiez und Kneipe“ regelmäßig über die Gruppe schreibt und ein begeistertes Mitglied ist.

Wie gut der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe ist, bewies sich beim bunten Abend im Neuköllner Leuchtturm. Mit viel Charme und Improvisationstalent boten die Nordlichter ihrem Berliner Publikum das Theaterstück „Besöök ut Nordingersiel“ und Musikeinlagen wie den „Saalhund“ und „Plattdüütsch“. Der Mitbegründer der Gruppe, André Gänßler aus Wilhelmshaven, lieferte einen kabarettistischen Beitrag über Binnenmigration und Veränderungen in Neukölln und beim „Hamburger Veermaster“, mit dem die Gruppe den Abend schloss, sang das Publikum begeistert mit. Beim anschließenden Büffet wurden den Gästen einige plattdeutsche Redewendungen beigebracht.

Am Samstag dem 08.09. traf die Gruppe um 14.30 Uhr auf der Veranstaltung P o p r á c i ein, das 179. Rixdorfer Strohballenrollen. Bei dieser vor 275 Jahren entstandenen Tradition muss ein Strohballen von vier Mannschaftsmitgliedern möglichst schnell und originell um den Richardplatz in Neukölln gerollt werden. Die Muschelschubser kamen in Matrosenbekleidung. Wieder herrschet eine lockere Stimmung unter den „Schubsern“, wie sich die Mitglieder untereinander liebevoll nennen. Der Startschuss fiel um 15.07 Uhr. Die vier Auserwählten der Gruppe gaben alles, um den Strohballen innerhalb kürzester Zeit entlang der Strecke zu bewegen. Mit 2.39 Minuten kamen sie ins Ziel. „Das war anstrengender als gedacht“, gestanden sie außer Atem, dennoch sichtlich erfreut über ihre Leistung. „Wir haben zwar nur den 19. Platz erzielt“, sagt Werner aus Stade, „dennoch hatten wir Spaß und konnten im Laufe des Tages einige neue Mitglieder für uns gewinnen.“ Die Muschelschubser werden auch weiterhin an Aktivitäten teilnehmen und eigene Veranstaltungen organisieren, damit mehr Platt in der Hauptstadt gesprochen wird.

 

Kena Maier